Sonntag, 24. Februar 2008

Seichte Brise aus Südwest

Namibia ist schön. Sehr schön sogar. Geographisch liegt es im Südwesten Afrikas, kulturell und kulinarisch jedoch möchte man meinen, es liege irgendwo zwischen Castrop-Rauxel und Tirol.

Doch langsam. Bis in die 1880er war die afrikanische Idylle im Land der Namib einigermaßen ungestört. Weil das Land an seiner Atlantikküste hauptsächlich aus sandigem Nichts besteht, blieb es lange von den europäischen Expediteuren unbeachtet. Im Landesinneren sammelten und jagten deshalb weitgehend unbehelligt Hottentotten, Herero, Ovambo, Himba, Nama und San.

Eines schönen Tages jedoch landeten ein paar Teutonen an der Skelettküste, im Wettstreit mit den etablierten Kolonialmächten darum bestrebt, den deutschen Überseebesitz auf- und auszubauen. Allen voran der Herr Lüderitz, der Land erwarb, und in dessen Fußstapfen später die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika unter der Protektion der Schutztruppe Land und Leute ersch(l)oss.

Konsequenterweise hielten im Gefolge der Soldaten, Händler und Farmer typisch deutsche Kulturelemente Einzug in Afrika. Man baute plötzlich nicht mehr aus Stroh und Ziegenfellen, sondern für die Ewigkeit. Straßen und Eisenbahnen wurden angelegt und beim Metzger gab es Leberwurst und Eisbein.

Bis hier mag diese Geschichte klingen, wie sich eine typische Kolonialisierungsgeschichte eben anhört. Bemerkenswert ist jedoch, was der Afrikareisende heute in Namibia vorfindet, wenn man sich vor Augen hält, dass der offizielle deutsche Einfluss in Südwest nur 30 Jahre lang anhielt.

Namibia 2008.

Was zwischen Salzburg und Swakopmund für Tagträume, Wahnvorstellungen und Entzugserscheinungen sorgte, ist plötzlich wieder käuflich erwerbbar: Weißwürste und Brezeln, Schinken, Salami, Laugenwecken und Milchprodukte.


Beim Schlachter spricht man selbstredend deutsch. Genauso übrigens wie in der Adler Apotheke, anzufinden in der Kaiser-Wilhelm Straße zu Swakopmund oder in der Luisen-Apotheke in Windhoek.


Die Adler Apotheke, Kaiser-Wilhelm-Straße, Swakopmund.


Windhoek, Einkaufspassage. Die Luisen-Apotheke neben dem Bushman-Shop.

Etwas seltsam mutet jedoch die Traditionsverbundenheit der deutschen Bevölkerung Namibias an, die beim Besuch eines Kriegerdenkmals der Schutztruppe deutlich wird:

Eichenkränze im Jahr 2008: Denkmal für Gefallene der Schutztruppe.

Auch wirtschaftlich ist Namibia stark teutonifiziert. Nicht nur, dass Deutsche hier die Funktion übernehmen, die in den Ländern Ostafrikas Inder und Pakistanis innehaben und dass Deutschland ein großer Handelspartner ist, dass die Mehrheit der 4x4-Mietwägen, die Namibias Pisten unsicher machen, von Deutschen gefahren werden und dass selbst im entlegensten Dorf die alten Hereros noch deutsch können. Das lustigste Beispiel ist aber ein Vergleich der Corporate Identities der beiden jeweiligen nationalen Fluglinien.

Wer hat da bei wem abgekupfert?

Namibia, das ist Europa in Afrika. Auf einmal gibt es keine billigen Straßensnacks aus der Autofelge und keine Piraten-CDs mehr. Dafür gibt es jetzt wieder Verbotsschilder an jeder Ecke und griesgrämige Leute, die einem fragende Blicke zuwerfen, wenn man sie auf der Straße grüßt. Den Kulturschock hätten wir also hinter uns.

Namibia, ein gutes Land, um sich wieder an die Heimat zu gewöhnen.

Namibia, TI-not-A. (MK)